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Blankenburg

Die Blütenstadt am Harz!

Foto: Jana Böhme

12.11.2019

Veranstaltungsreihe zum 30-jährigen Jubiläum des Mauerfalls

30 Jahre sind vergangen, seit eine der größten Umwälzungen in der deutschen Geschichte stattfand. Ausgehend von friedlichen Demonstrationen in den Städten der damaligen DDR fiel am 9. November 1989 die Mauer und die Herrschaft der SED fand ein Ende. Aus diesem Anlass organisierte die Stadt in Zusammenarbeit mit der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde und der katholischen Gemeinde St. Josef verschiedene Veranstaltungen.

Der Auftakt erfolgte am 15. Oktober mit der Eröffnung der Plakatausstellung „Von der friedlichen Revolution zur Deutschen Einheit“ im Gymnasium am Thie. Die Ausstellung mit 20 Plakaten, auf denen die Ereignisse in den Monaten von Sommer 1989 bis Herbst 1990 dargestellt sind, wurde von Heiko Breithaupt im Beisein von Kollegen des Gymnasiums, Schülern der Klasse 9a und mehreren Zeitzeugen des Wendeherbstes eröffnet. Gleich mehrere Zeitzeugen, die die politische Wende in der Blütenstadt entscheidend prägten, gaben dabei den Schülern Einblicke in ihre persönlichen Erlebnisse. Zu ihnen gehörten Sunhild Minkner, Wilhelm Krüger und Birgit Kayser, Mitglied der letzten und einzigen frei gewählten Volkskammer der DDR.
Bürgermeister Heiko Breithaupt erinnerte daran, dass so vieles was für uns heute selbstverständlich ist, vor 1989 unvorstellbar war und wie wichtig es ist sich mit der Geschichte auseinander zu setzen. „Ich wünsche, dass das Thema „Mauerfall und Deutsche Wiedervereinigung“ mehr Platz im Unterricht findet, gerade weil es noch Zeitzeugen gibt“, so der Bürgermeister.

„Wächst zusammen, was zusammengehört?“ fragen sich die Menschen vor 30 Jahren besorgt und viele fragen sich das heute noch.
Zur Beantwortung dieser Frage fanden sich am 22.20.2019 rund 40 interessierte Gäste in der Aula der Blankenburger Grundschule „Martin Luther“ zu einer Podiumsdiskussion ein.
In seiner Begrüßung ging Bürgermeister Heiko Breithaupt auf die Ereignisse desselben Tages vor exakt 30 Jahren ein. Interessanterweise fand bereits am 22.10.1989 in München ein Symposium zur Einheit Deutschlands statt. Für den Bürgermeister sind die Ereignisse von der Wende zur Deutschen Einheit besonders interessant, da es heute noch viele Zeitzeugen gebe, die aus ihren Erfahrungen berichten können.
Vor Beginn der Gesprächsrunde beschäftigte sich Professor Dr. Reinhold Sackmann von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in einem Referat mit den Folgen der Wiedervereinigung. Aus Sicht der Wissenschaftler und unter Berücksichtigung von wirtschaftlichen und sozialen Aspekten zeigte er auf, wie sich das Leben der Deutschen und ihre Einstellung in den letzten 30 Jahren gewandelt hat.
Mit Umfragewerten aus dem Sachsen-Anhalt-Monitor stellte er an Schlagworten wie Wirtschaftliche Angleichung, Gerechtigkeitsempfinden oder Persönliche Zufriedenheit die Entwicklung der vergangenen Jahre dar. Besonders auffällig dabei ist, dass ab dem Jahr 2010 die Zufriedenheit der Sachsen-Anhaltiner deutlich zugenommen hat. Viele Bürger und Bürgerinnen der ehemaligen DDR verloren mit der Wende ein Stück ihrer eigenen Identität, dieser Verlust konnte im Laufe der Jahre zu großen Teilen ausgeglichen werden. Gleichzeitig gibt es seit dem Jahr 2014 ein steigendes Interesse am politischen Geschehen, dieses Interesse hat zu einem zunehmenden Gefühl der Nichtberücksichtigung geführt.
Im Anschluss bat Moderator Ulrich Baxmann, viele Jahre Redakteur des Blankenburger Amtsblattes, seine Gesprächspartner im Podium Platz zu nehmen. Zu ihnen gehörten Thomas Pink, Bürgermeister der Partnerstadt Wolfenbüttel, Ulrich Haertel, ehemaliger Leiter der kirchlichen Verwaltungsstelle in Blankenburg und Christiane Köppke, früher im Vertrieb des FEW tätig. Vervollständigt wurde die Runde durch Ulrich-Karl Engel, Mitglied des Stadtrats sowie Josef Opfermann als Vertreter der „Nachwende-Generation“. Als einziger im Saal war der 25-jährige kein Zeitzeuge der Wende und kennt die Geschehnisse nur aus den Geschichtsbüchern.
Zum Auftakt schilderten die Diskussionsteilnehmer ihre Erlebnisse zur Wendezeit und erzählten, wie sich ihr persönliches Leben seitdem verändert hat.
Für Thomas Pink ist die Wende auch heute noch ein großartiges Ereignis, dessen Bedeutung man sich immer wieder vor Augen führen muss. „Für Menschen wie mich, die in Grenznähe lebten, war der Wunsch nach der Einheit sicher größer, als in anderen Teilen der Republik. Durch die Nähe zur innerdeutschen Grenze bestand aber auch ein höheres Risiko. Wäre es zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Deutschen Armeen gekommen, wäre meine Heimat zum Kriegsschauplatz geworden.“
Ulrich Haertel, erläuterte die Rolle der Kirche bei der Wiedervereinigung. Er selbst hätte nicht geglaubt, dass das sozialistische System jemals enden würde. Erste Hoffnungen entstanden mit der Wahl Michail Gorbatschows zum Generalsekretär der Sowjetunion und den damit eingeleiteten Reformen. Laut Ulrich Haertel war die Kirche die einzige demokratische Institution in der DDR. In der Vorwendezeit bot sie den Protestlern Räume für ihre Treffen, diese seien immer „proppenvoll“ gewesen. So fanden in der Bartholomäuskirche am 10. und 27. Oktober zwei Infoveranstaltungen des NEUEN FORUM statt, am 27. Oktober trafen sich fast 1000 Menschen in und vor der Bartholomäuskirche.
Christina Köppke arbeitete zu dieser Zeit im FEW und erlebte die Schattenseiten der Wende, was das wirtschaftliche Überleben der Betriebe im Gebiet der ehemaligen DDR betraf. „Der Wechsel des Wirtschaftssystems stellte alle vor riesige Herausforderungen, mit der Wende kam etwas Neues und niemand wusste was genau das ist. Aber das ist heute nicht anders, auch in der heutigen Zeit müssen wir uns ständig anpassen und uns neuen Herausforderungen stellen.“
Karl-Ulrich Engel stellte die besondere Bedeutung der drei großen Blankenburger Wirtschaftsbetriebe dar. „Im FEW, im MLK und in den Harzer Werken fand ein Großteil des sozialen Lebens der Blankenburger statt.“ Mit dem Ende der DDR ging daher auch ein Großteil dieses sozialen Miteinanders verloren. Zukunftsangst und Ungewissheit machten sich breit.
Für Josef Opfermann ist die friedliche Revolution ein fester Bestandteil der deutschen Geschichte, nur deshalb kann er heute so leben wie er lebt. „Ich kann reisen wohin ich will, ich kann meine Meinung frei äußern und ich kann kaufen was ich will“ so der Sportjournalist. „Für mich ist das alles selbstverständlich und ich habe nie etwas anderes erlebt. Mir ist bewusst, dass ich dies nur der Wende zu verdanken habe.“
Im Anschluss gab es eine lebhafte Diskussion mit zahlreichen Wortmeldungen aus dem Publikum. Ziemlich schnell wurde dabei auch die derzeitige politische Situation in der Bundesrepublik angesprochen. Viele sehen im Aufleben der rechtsradikalen Parteien eine Gefährdung der Demokratie, die stärker bekämpft werden muss. Aber auch die Ursachen für das Erstarken von nationalistischem Gedankengut müssen gefunden und behoben werden. Für viele ist die Entfremdung der Politiker von der Bevölkerung eine dieser Ursachen. Es sei eine wichtige Aufgabe der Politik, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen, um so den rechten Institutionen entgegenzuwirken. Aber jeder einzelne kann seinen Beitrag leisten. Thomas Pink brachte das deutlich zum Ausdruck: „Wir leben in absolutem Wohlstand in einer sicheren Demokratie. Aber wir ziehen uns in unsere Wohlstandgesellschaft zurück und überlassen den Feinden der Demokratie das Feld“, so das Wolfenbütteler Stadtoberhaupt. „Wir alle haben die Pflicht dem entgegenzutreten.“
Ulrich Baxmann versuchte abschließend die zahlreichen Redebeiträge zusammenzufassen: „Der heutige Abend hat gezeigt, dass auch 30 Jahre nach der Wende sehr viel Gesprächsbedarf besteht und es genug Potential für weitere Gesprächsrunden gibt.“
30 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es unzählige Beispiele dafür, dass die Wende gelungen ist. Vieles wurde erreicht, damit die Deutschen in Ost und West zu einem Volk zusammenwachsen. Aber es gibt noch einiges zu tun. Besonders wichtig sei der Respekt füreinander, dem Gegenüber zuzuhören, offen zu sein und die Meinung anderer zu akzeptieren. Persönliche Zufriedenheit ist eine der Grundvoraussetzungen, dass „zusammenwachsen kann, was zusammengehört.“

Den Abschluss der kleinen Veranstaltungsreihe bildete ein ökumenischer Gottesdienst mit Friedensgebet am 9. November in der Bartholomäuskirche. Bei dem Gottesdienst, gemeinsam von der katholischen Gemeinde St. Josef und der evangelischen Kirchengemeinde gestaltet, wurde daran erinnert welche Aufgaben noch vor uns liegen. Wie Für Pfarrer Matthias Vornewald von der katholischen Gemeinde St. Josef betonte „sollten wir alle sehr dankbar zu sein, dass wir dieses epochale historische Ereignis miterleben durften.“